Werdegang

Dr. Maria Lucia Weigel | Kunsthistorikerin, Heidelberg

Zum künstlerischen Werdegang von Ulrike Reichmann

Ulrike Reichmann experimentiert seit ihrer Kindheit mit unterschiedlichen Materialien und erkundet dabei verschiedene künstlerische Gattungen. Bereits am Beginn ihres kreativen Schaffens standen Materialcollagen neben Malerei, die sich an gegenständlichen Motiven orientierte. Die schulische Reifeprüfung im Fach Kunst gab der kontinuierlichen künstlerischen Auseinandersetzung mit selbst gewählten Aufgabenstellungen weiterhin Raum. In der Folgezeit suchte sich Ulrike Reichmann in geographischer Nähe zu ihrem jeweiligen Wohnort Kunstschaffende, bei denen sie sich zum einen in der Technik des Aquarellmalens weiterbildete, zum anderen aber auch Erfahrungen in der Freilichtmalerei und im Aktzeichnen sammelte. In den Jahren von 1990 bis 2001 besuchte sie Kurse bei Friedhelm Boomers, später auch bei Sigrid Kiessling-Rossmann, Riki Strassler und Barbara Hindahl. So eignete sie sich grafische Gestaltungstechniken ebenso an wie Arbeitsweisen, die das malerische Erschließen des Bildraumes zum Ziel haben. Den eigenen Interessensschwerpunkten folgend, erkundete sie unter Anleitung von Riki Strassler die Porträtmalerei.

Seit 2004 setzt sich Ulrike Reichmann mit Acrylmalerei auseinander. Erste Kenntnisse eignete sie sich in Kursen von Armin Liebscher und Sonja Scherer in Mannheim an. Stets richtete sie zur Bewältigung eigener Fragestellungen ihren Blick auch auf gestalterische Lösungen, die sie im Werk bedeutender Künstlerpersönlichkeiten vorfand. Deren kreative Anverwandlung trug zur Ausformung der eigenen künstlerischen Position bei. Entdeckerfreude und die Lust am Experiment eröffneten ihr den Weg zu einem eigenständigen Ansatz, der von der Begeisterung für eine kraftvolle Farbigkeit geprägt ist. Chromatische Farbverläufe und die Kombination mehrerer gleichrangiger Buntfarben kennzeichnen das malerische Werk von Ulrike Reichmann. Farbe wird dabei mit unterschiedlichen Werkzeugen auf den Bildträger aufgebracht. Der gestische Duktus aufgetropfter und gespritzter Farbmaterie bestimmte zeitweilig das malerische Werk. In der Beimengung von Sand und anderen Materialien zeigt sich das bleibende Interesse der Künstlerin an der haptischen Qualität bildlicher Strukturen. Durch das Einfügen von Papier und Wellpappe in bildliche Gestaltungen werden räumliche Dimensionen erschlossen, darüber hinaus stellt Ulrike Reichmann auf diese Weise der Farbe Materialien zur Seite, die Struktur und Form in die gemalten Kompositionen einbringen. Akkorde kühler Farbigkeit prägen das Œuvre.

Aus der Vertrautheit mit gegenständlichen Sujets erwuchs die Hinwendung zu einer abstrakten Bildsprache, die sich häufig an geometrischen Grundformen orientiert. Darin manifestiert sich das Interesse der Künstlerin an mathematischen Verhältnissen. Kenntnisreich trifft Ulrike Reichmann künstlerische Entscheidungen, die eine Reduktion des am Gegenstand ausgerichteten Motivrepertoires zum Ziel haben. Die Übertretung selbst gesetzter Bildordnungen führt dabei zu spannungsvollen Kompositionen. Gelegentlich werden organische Formen den rechtwinkligen Strukturen gegenüber gestellt oder dominieren das Bildgeviert. Formenechos werden aus geometrischen Elementen abgeleitet und treten als formgebendes Äquivalent neben eine für jedes Bild eigens zusammengestellte Farbpalette. Räumliche Qualitäten entfalten sich dabei auch in der Wahl der Farben, deren virtuelle Ausdehnung im Raum als gestalterische Strategie genutzt wird.